Oftmals bewegt tiefe Dankbarkeit für die aufopferungsvolle Pflege Senioren dazu, Pflegepersonal im Testament begünstigen zu wollen. Nachdem die Pflegekraft das Leben des Pflegebedürftigen erheblich verbessert hat, soll sie im Gegenzug über den Tod hinaus Unterstützung und Wertschätzung erfahren.
Doch nicht immer ist dieser Wunsch in einer letztwilligen Verfügung rechtens. Erfahren Sie in diesem Text, unter welchen Voraussetzungen das Vererben an Pflegepersonal oder berufliche Betreuer möglich ist. Außerdem lesen Sie von einem aktuellen Urteil des OLG Celle aus dem Jahr 2024, in dem die Wirksamkeit eines solchen Testaments geprüft wurde.
Dürfen Pflegekräfte erben? Prinzipiell steht es jedem frei, einer privaten Pflegekraft oder einen pflegenden Angehörigen im Testament als Erben einzusetzen. Gerade bei privaten Pflegepersonen lässt sich etwa per Testament oder im Rahmen einer Pflegevereinbarung festhalten, dass als Belohnung ein Ausgleich für erbrachte Pflegeleistungen erfolgen soll.
Erbrechtliche Verfügungen, also Erbverträge und Testamente, zugunsten von Personal in Pflegeheimen sowie von amtlichen Betreuern sind hingegen häufig unwirksam. Grund dafür sind zwei Regelungen, die derartige Möglichkeiten erheblich einschränken: das Heimgesetz und das Betreuungsorganisationsgesetz. Alternativen für Pflegebedürftige, die ihr Pflegepersonal trotzdem entlohnen möchten, könnten Zuwendungen zu Lebzeiten oder andere legale Wege sein, die keine direkte Begünstigung im Rahmen eines Erbes darstellen.
Wenn eine pflegebedürftige Person in einem Senioren- oder Pflegeheim lebt, ist deren testamentarische Verfügung zugunsten des dort angestellten Personals in der Regel unwirksam. Nach § 14 HeimG (Heimgesetz) dürfen Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen grundsätzlich keine Zuwendungen, ob Geld oder geldwerte Leistungen, von Bewohnern annehmen. Und auch beim Vererben an Pflegepersonal gelten besondere Regelungen. Demnach ist das Vererben nicht zwingend untersagt, vielmehr kommt es darauf an, ob die Pflegekraft wusste, dass Sie erben soll.
Diese Regelungen dienen dem Schutz von Pflegebedürftigen vor unzulässigen Einflussnahmen oder Missbrauch. So soll die Testierfreiheit der Pflegebedürftigen nicht durch Druck oder Manipulation seitens des Pflegepersonals beeinträchtigt werden. Zudem sollen potenzielle Interessenkonflikte in Alten- und Pflegeheimen verhindert werden, etwa dass Pflegekräfte aus finanziellen Motiven ihre berufliche Verantwortung und ethischen Verpflichtungen vernachlässigen.
Ausnahmen sehen die Gesetze der jeweiligen Bundesländer vor: Hat beispielsweise ein Bewohner eines Alten- bzw. Pflegeheims in Bayern das Testament zugunsten der Pflegekraft heimlich und ohne deren Kenntnisstand errichtet, darf die Pflegekraft das Erbe später annehmen.
Gemäß § 30 Abs. 1 BtOG (Betreuungsorganisationsgesetz), das am 01.01.2023 in Kraft trat, ist es einem beruflichen Betreuer untersagt, von der von ihm betreuten Person Geld oder geldwerte Leistungen anzunehmen. Dieses Verbot umfasst auch Zuwendungen, die durch ein Testament oder andere letztwillige Verfügungen erfolgen. Ehrenamtliche Betreuer betrifft das Gesetz jedoch nicht; sie können ohne Einschränkungen weiterhin von einer betreuten Person erben.
Ein Verstoß macht das Testament jedoch nicht zwingend unwirksam. Der Betreuer soll die Erbschaft ablehnen, andernfalls verstößt er gegen seine Berufspflichten, was zum Widerruf seiner Registrierung als Berufsbetreuer nach § 27 BtOG führen kann.
Dieses Verbot soll sicherstellen, dass Betreuer ihre Entscheidungen ausschließlich im besten Interesse der Betreuten treffen, ohne von persönlichen Vorteilen beeinflusst zu werden.
Das Verbot aus § 14 HeimG, das für Heimangestellte gilt, ist nicht auf Pfleger ambulanter Pflegedienste übertragbar. Daher können Pflegebedürftige sie durchaus als Erben einsetzen, selbst wenn die ambulante Pflegekraft vorher davon wusste.
Bei der ambulanten Pflege besteht ebenfalls das Risiko, dass Pflegebedürftige in ihrer Hilf- und Arglosigkeit ausgenutzt werden und Abhängigkeitsverhältnisse entstehen. Angehörige können letztwillige Verfügungen zwar gerichtlich anfechten, sehen sich jedoch häufig erheblichen Beweisproblemen gegenüber. Zum einen, weil sich es häufig als schwierig gestaltet, eine psychische Zwangslage bei häuslicher Pflege nachzuweisen, zum anderen, da Angehörige meist erst nach dem Tod des Erblassers davon erfahren, dass ein Mitarbeiter eines ambulanten Pflegedienstes testamentarisch bedacht wurde.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass pflichtteilsberechtigte Personen, wie Kinder, Ehepartner oder Eltern des Erblassers, nicht vollständig enterbt werden können. Diese Personen haben Anspruch auf ihren Pflichtteil des Nachlasses, unabhängig davon, dass eine Pflegekraft als Erbe eingesetzt wurde.
Das vorliegende Urteil vom 9. Januar 2024 durch das Oberlandesgericht Celle (Aktenzeichen 6 W 175/23) befasste sich mit der Frage, inwiefern das Vererben an Pflegepersonal oder amtliche Betreuung möglich ist.
Die 92-jährige, verwitwete Erblasserin befand sich mit ihrer 71-jährigen Tochter, die ihre Angelegenheit regelte, gemeinsam in einem Zimmer im Krankenhaus. Kurz vor dem Tod der Tochter wurde die Erblasserin einer ihr bisher unbekannten Betreuerin zugewiesen.
Während einer Anhörung durch die Betreuungsrichterin gab die Erblasserin an, die Kirche in ihrem Testament von ihrem Vermögen begünstigen zu wollen. Nachdem sie aus dem Krankenhaus entlassen worden war, verbrachte die Erblasserin kurze Zeit in einer Pflegeeinrichtung, bevor sie erneut in ein Krankenhaus eingeliefert wurde.
Während ihres Aufenthalts in der Pflegeeinrichtung veranlasste ihre Berufsbetreuerin bei einem Notar die Erstellung eines Testaments, in dem die Betreuerin selbst als Alleinerbin eingesetzt werden sollte. Darüber hinaus vermachte die Erblasserin einer kirchlichen Einrichtung einen Geldbetrag in Höhe von 10.000 Euro.
Am 22. Oktober 2022 verstarb die Erblasserin im Zuhause ihrer Berufsbetreuerin, die sie nach der Entlassung aus dem Krankenhaus bei sich aufgenommen hatte. Den von der Betreuerin beantragten Alleinerbschein wies das Nachlassgericht zurück, da das notarielle Testament wegen Sittenwidrigkeit für unwirksam erklärt wurde. Gegen diesen Beschluss legte die Berufsbetreuerin Beschwerde ein.
Das Oberlandesgericht (OLG) Celle wies die Beschwerde der Berufsbetreuerin zurück. Das Gericht stellte fest, dass das notarielle Testament nach § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig sei. Diese Entscheidung wurde getroffen, auch ungeachtet der konkreten Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin, die sich aus vorliegenden Arztberichten ableiten lassen.
Stattdessen ließe sich die Sittenwidrigkeit aufgrund der Gesamtschau aller Umstände dieses Falls feststellen, insbesondere wenn man Folgendes berücksichtigt:
Das Gericht schloss daraus, dass eine gezielte Beeinflussung durch die Berufsbetreuerin vorlag. Diese habe ihre gerichtlich verliehene Stellung missbraucht, um einen kranken und alleinstehenden Erblasser im fortgeschrittenen Alter zu beeinflussen und sich in der letztwilligen Verfügung begünstigen zu lassen.
Es kommt häufig vor, dass Testamente zugunsten von Pflegepersonal als unwirksam erachtet werden, da Gerichte in vielen Fällen eine gezielte Beeinflussung durch die Pflegekräfte vermuten — insbesondere, wenn sich die Erblasser in einem geschwächten Zustand oder in einer abhängigen Beziehung befinden.
Wenn Sie eine Pflegekraft als Erbe einsetzen und sicherstellen möchten, dass dieser Wunsch auch rechtswirksam und unanfechtbar umgesetzt werden, stehe ich, Jürgen Pillig, Ihnen als erfahrener Anwalt für Erbrecht in Berlin zur Seite. Im Rahmen einer Testamentsberatung kläre ich Sie umfassend zu den rechtlichen Anforderungen auf und unterstütze Sie bei der sorgfältigen Formulierung, wenn wir Ihr Testament errichten. Auch bei anderen erbrechtlichen Angelegenheiten stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.
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