Testierwille: Voraussetzung für ein gültiges Testament

Für die Wirksamkeit eines Testaments ist — als einer von mehreren Aspekten — der freie Testierwille des späteren Erblassers entscheidend. Der § 2247 BGB besagt, dass eine letztwillige Verfügung auch bei Erfüllung der üblichen Formvorschriften nur dann rechtswirksam ist, wenn dem Verfasser die Rechtsverbindlichkeit der Verfügung zum Zeitpunkt der Erstellung vollumfänglich bewusst war und die Erstellung einer solchen Urkunde beabsichtigt. Im Fall von ungewöhnlichen Begleitumständen, beispielsweise einer unüblichen Form des Schriftstücks, stellt der § 133 BGB hohe Ansprüche an den Nachweis des Testierwillens.

Füllfederhalter auf handgeschriebener Urkunde

Abschrift oder Original — Bewertung zweier gleichlautender Verfügungen

Im vorliegenden Fall sah sich das OLG München mit einer Beschwerde zweier gesetzlicher Erben konfrontiert, die den Testierwillen des Verstorbenen anzweifelten. Dieser hatte zu Lebzeiten zwei gleichlautende, handschriftliche Testamente angefertigt und eigenhändig unterschrieben, in denen er seine Cousine zur Alleinerbin erklärte. Eine dieser Urschriften händigte er der eingesetzten Erbin zur Verwahrung aus, die zweite verblieb bei ihm selbst. Letztere unterschied sich lediglich dadurch, dass die Worte “meine Cousine” nachträglich oberhalb der ersten Zeile eingefügt wurden und außerdem innerhalb einer inhaltlich identischen Aufzählung die vorangestellten Gliederungsziffern fehlten.

Diese zweite Niederschrift des letzten Willens wurde zu einem späteren Zeitpunkt von dem Betreuer des Erblassers — angeblich auf dessen Verlangen hin — zerrissen. Darüber hinaus wurde die als Erbin eingesetzte Cousine von besagtem Betreuer zur Herausgabe der anderen Urkunde aufgefordert, hat diese jedoch verweigert. Zu klären war daraufhin im Wesentlichen die Frage, ob der Verstorbene tatsächlich einen Testierwillen, also die Absicht hatte, zwei rechtsverbindliche Originale zu verfassen, oder ob es sich um eine Ur- und eine Abschrift handeln sollte. Eine Abschrift (oder Kopie) stellt gemäß Erbrecht in sich selbst keine wirksame Verfügung von Todes wegen dar. Sollte es sich bei dem noch existierenden Exemplar also lediglich um eine Abschrift handeln, könnten daraus keine Erbansprüche geltend gemacht werden.

OLG München: Testierwille des Erblassers ist unstrittig

Laut Beschluss des 31. Zivilsenats des OLG München vom 05.05.2020 (Aktenzeichen 31 Wx 246-249/19; 31 Wx 269/19) ist der Testierwille des Verstorbenen im vorliegenden Fall nicht in Zweifel zu ziehen. Der ernstliche Wille des Erklärenden leitet sich nach dem Grundsatz des § 133 BGB nicht nur aus der Erfüllung der formalen Regularien ab. Zur Feststellung des Testierwillens müssen im Gegenteil die gesamten Lebens- und Begleitumstände berücksichtigt werden. Insbesondere ist dabei entscheidend, ob dem Verfasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments bewusst war, dass er eine rechtsverbindliche Erklärung abgibt.

Nachaufnahme Richterhammer

Urteilsbegründung berücksichtigt allgemeine Umstände und Lebenserfahrung

Zur Begründung führt das OLG mehrere Punkte an, die seiner Auslegung nach in ihrer Gesamtheit keinen Zweifel am Testierwillen des Erblassers zulassen:

Nicht weiter berücksichtigt wurde der Umstand, dass die Inhaberin der Urkunde deren Herausgabe auf entsprechende Aufforderung hin verweigert hat. Es war zum einen unklar, auf welcher rechtlichen Grundlage sie überhaupt in ihrem Besitz war; zum anderen, ob de facto ein wirksamer Anspruch auf Herausgabe bestand. Unabhängig davon hatten diese Fragen jedoch ohnehin keinen Einfluss auf die Bewertung des Testierwillens des Verstorbenen oder die Wirksamkeit der Verfügung selbst.

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