Testament verloren: Nachweis über Errichtung und Inhalt

Ein Testament, das nicht zur amtlichen Verwahrung hinterlegt wurde, ist nach Tod des Erblassers unverzüglich beim Nachlassgericht einzureichen (§ 2259 BGB, Abs. 1). Das gilt insbesondere bei Antragstellung auf einen Erbschein aufgrund der testamentarisch festgelegten Erbfolge, sofern sich das Testament nicht bereits durch frühere Ablieferung und Eröffnung im Besitz des Gerichts befindet. Ist das Original-Testament verloren gegangen, so können Errichtung und Inhalt des Testaments dennoch mit zulässigen Beweismitteln belegt werden (ehemals § 2356 Abs. 1 BGB, inzwischen aufgehoben und durch weitere Gesetzgebung ersetzt). Der Nachweis muss jedoch strenge Anforderungen erfüllen.

Testament beim Nachlassgericht abgeben nicht möglich – wie gelingt der Nachweis?

Personen, die einen Erbanspruch aus einem Testament ableiten, das im Original nicht mehr auffindbar ist, haben verschiedene Möglichkeiten zum Nachweis der Errichtung und seines Inhaltes:

  1. Der nötige Nachweis kann einerseits durch Vorlage einer Kopie der Urschrift erlangt werden. Voraussetzung hierfür sind allerdings kritische Prüfungen der Plausibilität der Kopie durch das zuständige Gericht, wie etwa die förmliche Beweisaufnahme durch Vernehmung benannter Zeugen.
  2. Ist die Urschrift eines Testaments verloren gegangen, kann die Errichtung und sein Inhalt auch ausschließlich durch Zeugenaussagen bewiesen werden. Auch hier wird das Gericht sehr genau prüfen, ob die Aussagen ausreichenden Anlass bieten, Schlüsse auf Errichtung des Testaments und seinen Inhalte zu ziehen. So genügt es beispielsweise nicht, dass der Erblasser zu Lebzeiten mehrfach vor Zeugen erklärt hat, das Testament abgefasst und errichtet zu haben.

Kann ein Zeuge aber glaubhaft darlegen, das errichtete Testament und seinen Inhalt kurz vor dem Tod des Erblassers noch gesehen zu haben, kann diese Zeugenaussage als Beweis genügen. Verstrickt er sich während der Vernehmung allerdings in Widersprüche, kann das Gericht Errichtung und Inhalt des Testaments als nicht zureichend bewiesen ansehen.

Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M.: Anfechtung und Aufhebung eines ergangenen Beschlusses

Aufgrund der genannten Anforderungen an den Nachweis über Existenz und Inhalt eines Testaments, das verloren gegangen ist oder vernichtet wurde, kommt es immer wieder zur Anfechtung und Aufhebung ergangener Beschlüsse zu Nachlassverfahren. So urteilte auch das OLG Frankfurt am Main am 24.09.2001 (Aktenzeichen 20 W 244/00, 20 W 244/2000), dass ein zuvor ergangener Beschluss aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzugeben sei.

Testament verloren: Die Ausgangslage im verhandelten Fall

Zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers im Frühling 1997 war dieser in zweiter Ehe verheiratet. Er hat einen Sohn aus erster Ehe, außerdem zwei nichteheliche, 1969 geborene Töchter. Seine Witwe, ebenfalls Mutter einer Tochter, beantragte im Herbst des Jahres 1999 einen Erbschein, der sie als Alleinerbin des Nachlasses ausweist.

Zur Begründung gab sie an, es habe ein privatschriftliches und gemeinschaftlich errichtetes Testament aus dem Jahr 1996 existiert, das die Eheleute jeweils als Alleinerben einsetze und zum Todeszeitpunkt des Erblassers noch vorhanden gewesen sei. Bei gleichzeitigem Tod sollten der Sohn des Erblassers und die Tochter der Witwe Erben sein.

Weiter gab sie an, dass ihre Tochter und deren Ehemann das Testament nach dem Tod des Erblassers noch gesehen und gelesen hätten. Nun sei aber das Testament verloren gegangen und nicht mehr aufzufinden. Wahrscheinlich habe sie es aufgrund ihres depressiven und nervlich angeschlagenen Zustandes zum damaligen Zeitpunkt weggeworfen und damit vernichtet.

Zeugenaussagen der Beteiligten

Das zuständige Amtsgericht hat die Witwe des Erblassers am 20.01.2001 persönlich angehört und auch ihre Tochter sowie deren Ehemann zur Sache vernommen. Die Niederschrift der Sitzung wurde dem Sohn des Verstorbenen zur Stellungnahme übersandt. Dieser gab jedoch an, von der Existenz des gemeinschaftlichen Testaments keine Kenntnis gehabt zu haben und legte Widerspruch gegen die Erteilung des von der Witwe beantragten Erbscheins ein.

Dennoch erging am 22.02.2000 der Beschluss, den beantragten Erbschein erteilen zu wollen, sofern nicht binnen zwei Wochen Beschwerde beim Landgericht eingelegt werde. Der Sohn des Erblassers machte als Beteiligter des Nachlassverfahrens hiervon Gebrauch, was jedoch erfolglos blieb (Beschluss vom 25.04.2000).

Begründung der Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses

Die weitere Beschwerde ist zulässig, da sie auf einer Verletzung des Rechts beruht. In der Sache führt das Rechtsmittel der zulässigen Beschwerde zur Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Beide Instanzen haben die Notwendigkeit einer eingehenden Prüfung verkannt und sind ihrer Amtsermittlungspflicht nicht in hinreichendem Umfang nachgekommen. Somit ist der Senat nicht an die Feststellung des Landgerichts gebunden, dass ein wirksames Testament vorhanden gewesen sei, das die Witwe des Erblassers als Alleinerbin benennt.

Formlose Beweisaufnahme war unzulässig

Bereits das Amtsgericht hätte nicht aufgrund einer formlosen Beweisaufnahme entscheiden dürfen. Grundsätzlich liegt die Entscheidung der Zulässigkeit eines formlosen Nachweises zwar im Ermessen des Gerichts, doch das förmliche Beweisverfahren – der Strengbeweis – verdiente hier den Vorzug, da es auf die Erweisbarkeit bestimmter Einzeltatsachen ankam: die Errichtung und der Inhalt eines Testaments, das verloren gegangen war.

Insbesondere die Aussage der Witwe des Erblassers, sein Sohn habe vom Testament gewusst und die Tatsache, dass dieser diese Angabe bestritt, hätte Anlass für eine solche förmliche Beweisaufnahme sein müssen. Es reichte nicht aus, es ohne Ladung des Sohnes bei der durchgeführten Anhörung zu belassen. Vielmehr hätte diesem Gelegenheit gegeben werden müssen, selbst oder durch einen Verfahrensbevollmächtigten mit Fragen auf die Beweisaufnahme Einfluss nehmen zu können und seine Sicht der Dinge darzulegen.

Weiter hat sich das Landgericht mit reinen Plausibilitätsabwägungen in Bezug darauf begnügt, ob es von der Interessenlage her möglich erscheint, dass sich die Eheleute zur Testamentserrichtung darauf verständigt haben, sich gegenseitig unter Ausschluss der Kinder zum Alleinerben einzusetzen. Auch hat das Gericht es nicht in seine Erwägungen einbezogen, dass die Erbfolge dadurch dahingehend verändert worden wäre, dass beim Tod der Witwe deren Tochter zu Lasten der leiblichen Kinder des Erblassers begünstigt würde. Somit fehlt auch die Feststellung, ob dies im Sinne des Erblassers gewesen sein kann.

Widersprüchliche Zeugenaussagen und Unklarheiten

Nach Zurückverweisung an das Landgericht hatte dieses im Rahmen des förmlichen Beweisverfahrens auch folgende Widersprüche aufzuklären:

  1. Wieso hat die Witwe des Erblassers zu ihrem Antrag auf Erteilung des Erbscheins angegeben, das Testament stamme aus dem Jahr 1996, während zu späterem Zeitpunkt das Jahr 1995 angegeben wurde?
  2. Weiter fällt auf, dass die Witwe ihrer Pflicht zur Ablieferung des Testaments, das als verloren angegeben wurde, nicht nachgekommen ist. Offenbar war ihr aber bewusst, dass die Errichtung eines Testaments wichtig war, denn nach eigenem Bekunden hat sie darauf bestanden. Auch ihre Tochter und deren Ehemann gaben an, das Dokument habe sich in einem Polizeiordner befunden, sodass sie es als wichtig erkannten und als Testament identifizierten. Wie konnte ein so geordnet abgelegtes Testament verloren gehen?
  3. Auch die Angabe der Witwe des Erblassers, das Testament habe sich “in unserem Safe“ befunden, ist nicht ausreichend geklärt. So wurde nicht deutlich, wo sich dieser befand und unter welchen Umständen die Tochter und der Schwiegersohn Einsicht nahmen. So fehlen nachvollziehbare Erklärungen und Feststellungen, weshalb es weder zur Ablieferung des Testaments, noch zu seiner Sicherstellung kam.
  4. Bei ihrer Anhörung gab die Witwe außerdem an, es habe Gespräche zwischen ihr und dem Erblasser zu möglichen späteren Auseinandersetzungen zwischen beiden Kindern gegeben. Unklar ist, ob die beiden nichtehelichen Töchter des Erblassers bei den Erwägungen als mögliche Erben außen vor blieben und wenn ja, warum das der Fall war.

Für den Fall, dass das Landgericht nach förmlicher Beweisaufnahme wiederum zur Überzeugung gelangt, es habe ein gemeinschaftliches Testament, das nun verloren ist, vorgelegen und dieses die Witwe des Erblassers zur Alleinerbin eingesetzt habe, kommt eine weitere Anforderung zum Tragen. So muss sichergestellt sein, dass das Testament keine sonstigen bei der Erbschaftserteilung zu berücksichtigenden Inhalte, etwa zugunsten weiterer Erben, aufwies. Grundsätzlich muss dann, wenn das Erbrecht aus einem nicht vorhandenen (gemeinschaftlichen) Testament abgeleitet wird, neben dem erfüllten Formerfordernis an das Testament auch der volle Inhalt nachgewiesen werden.

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