Ein Testament, das nicht zur amtlichen Verwahrung hinterlegt wurde, ist nach Tod des Erblassers unverzüglich beim Nachlassgericht einzureichen (§ 2259 BGB, Abs. 1). Das gilt insbesondere bei Antragstellung auf einen Erbschein aufgrund der testamentarisch festgelegten Erbfolge, sofern sich das Testament nicht bereits durch frühere Ablieferung und Eröffnung im Besitz des Gerichts befindet. Ist das Original-Testament verloren gegangen, so können Errichtung und Inhalt des Testaments dennoch mit zulässigen Beweismitteln belegt werden (ehemals § 2356 Abs. 1 BGB, inzwischen aufgehoben und durch weitere Gesetzgebung ersetzt). Der Nachweis muss jedoch strenge Anforderungen erfüllen.
Personen, die einen Erbanspruch aus einem Testament ableiten, das im Original nicht mehr auffindbar ist, haben verschiedene Möglichkeiten zum Nachweis der Errichtung und seines Inhaltes:
Kann ein Zeuge aber glaubhaft darlegen, das errichtete Testament und seinen Inhalt kurz vor dem Tod des Erblassers noch gesehen zu haben, kann diese Zeugenaussage als Beweis genügen. Verstrickt er sich während der Vernehmung allerdings in Widersprüche, kann das Gericht Errichtung und Inhalt des Testaments als nicht zureichend bewiesen ansehen.
Aufgrund der genannten Anforderungen an den Nachweis über Existenz und Inhalt eines Testaments, das verloren gegangen ist oder vernichtet wurde, kommt es immer wieder zur Anfechtung und Aufhebung ergangener Beschlüsse zu Nachlassverfahren. So urteilte auch das OLG Frankfurt am Main am 24.09.2001 (Aktenzeichen 20 W 244/00, 20 W 244/2000), dass ein zuvor ergangener Beschluss aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzugeben sei.
Zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers im Frühling 1997 war dieser in zweiter Ehe verheiratet. Er hat einen Sohn aus erster Ehe, außerdem zwei nichteheliche, 1969 geborene Töchter. Seine Witwe, ebenfalls Mutter einer Tochter, beantragte im Herbst des Jahres 1999 einen Erbschein, der sie als Alleinerbin des Nachlasses ausweist.
Zur Begründung gab sie an, es habe ein privatschriftliches und gemeinschaftlich errichtetes Testament aus dem Jahr 1996 existiert, das die Eheleute jeweils als Alleinerben einsetze und zum Todeszeitpunkt des Erblassers noch vorhanden gewesen sei. Bei gleichzeitigem Tod sollten der Sohn des Erblassers und die Tochter der Witwe Erben sein.
Weiter gab sie an, dass ihre Tochter und deren Ehemann das Testament nach dem Tod des Erblassers noch gesehen und gelesen hätten. Nun sei aber das Testament verloren gegangen und nicht mehr aufzufinden. Wahrscheinlich habe sie es aufgrund ihres depressiven und nervlich angeschlagenen Zustandes zum damaligen Zeitpunkt weggeworfen und damit vernichtet.
Das zuständige Amtsgericht hat die Witwe des Erblassers am 20.01.2001 persönlich angehört und auch ihre Tochter sowie deren Ehemann zur Sache vernommen. Die Niederschrift der Sitzung wurde dem Sohn des Verstorbenen zur Stellungnahme übersandt. Dieser gab jedoch an, von der Existenz des gemeinschaftlichen Testaments keine Kenntnis gehabt zu haben und legte Widerspruch gegen die Erteilung des von der Witwe beantragten Erbscheins ein.
Dennoch erging am 22.02.2000 der Beschluss, den beantragten Erbschein erteilen zu wollen, sofern nicht binnen zwei Wochen Beschwerde beim Landgericht eingelegt werde. Der Sohn des Erblassers machte als Beteiligter des Nachlassverfahrens hiervon Gebrauch, was jedoch erfolglos blieb (Beschluss vom 25.04.2000).
Die weitere Beschwerde ist zulässig, da sie auf einer Verletzung des Rechts beruht. In der Sache führt das Rechtsmittel der zulässigen Beschwerde zur Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Beide Instanzen haben die Notwendigkeit einer eingehenden Prüfung verkannt und sind ihrer Amtsermittlungspflicht nicht in hinreichendem Umfang nachgekommen. Somit ist der Senat nicht an die Feststellung des Landgerichts gebunden, dass ein wirksames Testament vorhanden gewesen sei, das die Witwe des Erblassers als Alleinerbin benennt.
Bereits das Amtsgericht hätte nicht aufgrund einer formlosen Beweisaufnahme entscheiden dürfen. Grundsätzlich liegt die Entscheidung der Zulässigkeit eines formlosen Nachweises zwar im Ermessen des Gerichts, doch das förmliche Beweisverfahren – der Strengbeweis – verdiente hier den Vorzug, da es auf die Erweisbarkeit bestimmter Einzeltatsachen ankam: die Errichtung und der Inhalt eines Testaments, das verloren gegangen war.
Insbesondere die Aussage der Witwe des Erblassers, sein Sohn habe vom Testament gewusst und die Tatsache, dass dieser diese Angabe bestritt, hätte Anlass für eine solche förmliche Beweisaufnahme sein müssen. Es reichte nicht aus, es ohne Ladung des Sohnes bei der durchgeführten Anhörung zu belassen. Vielmehr hätte diesem Gelegenheit gegeben werden müssen, selbst oder durch einen Verfahrensbevollmächtigten mit Fragen auf die Beweisaufnahme Einfluss nehmen zu können und seine Sicht der Dinge darzulegen.
Weiter hat sich das Landgericht mit reinen Plausibilitätsabwägungen in Bezug darauf begnügt, ob es von der Interessenlage her möglich erscheint, dass sich die Eheleute zur Testamentserrichtung darauf verständigt haben, sich gegenseitig unter Ausschluss der Kinder zum Alleinerben einzusetzen. Auch hat das Gericht es nicht in seine Erwägungen einbezogen, dass die Erbfolge dadurch dahingehend verändert worden wäre, dass beim Tod der Witwe deren Tochter zu Lasten der leiblichen Kinder des Erblassers begünstigt würde. Somit fehlt auch die Feststellung, ob dies im Sinne des Erblassers gewesen sein kann.
Nach Zurückverweisung an das Landgericht hatte dieses im Rahmen des förmlichen Beweisverfahrens auch folgende Widersprüche aufzuklären:
Für den Fall, dass das Landgericht nach förmlicher Beweisaufnahme wiederum zur Überzeugung gelangt, es habe ein gemeinschaftliches Testament, das nun verloren ist, vorgelegen und dieses die Witwe des Erblassers zur Alleinerbin eingesetzt habe, kommt eine weitere Anforderung zum Tragen. So muss sichergestellt sein, dass das Testament keine sonstigen bei der Erbschaftserteilung zu berücksichtigenden Inhalte, etwa zugunsten weiterer Erben, aufwies. Grundsätzlich muss dann, wenn das Erbrecht aus einem nicht vorhandenen (gemeinschaftlichen) Testament abgeleitet wird, neben dem erfüllten Formerfordernis an das Testament auch der volle Inhalt nachgewiesen werden.
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