Als Erblasser Pflegeleistungen anerkennen: Im Testament oder per Pflegevereinbarung (Pflegeverpflichtung)

Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen ist in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter angestiegen. Oft besteht dabei der Wunsch, bis ins hohe Alter oder gar bis zum Lebensende im vertrauten Umfeld wohnen zu bleiben. Pflegen einzelne Nachkommen einen Erblasser vor dessen Tod, können sie Ansprüche auf einen Ausgleich gemäß § 2057a BGB geltend machen. Ob und in welcher Höhe diese Ansprüche bestehen, führt häufig zu Konflikten zwischen Pflegeperson und anderen erbenden Nachkommen.

Eine bessere Rechtsposition der pflegenden Person lässt sich hingegen durch einen im Testament verordneten Ausgleich oder eine lebzeitige Pflegevereinbarung (Pflegeverpflichtung) herstellen. Erfahren Sie in diesem Beitrag alles über Ihre Möglichkeiten als Erblasser. Lesen Sie außerdem ein Urteil aus der Praxis, das die Komplexität dieser Thematik verdeutlicht. Es ist stets ratsam, sich bei der Errichtung eines Testaments oder einer Pflegevereinbarung die Unterstützung von einem erfahrenen Anwalt für Erbrecht einzuholen.

Justitia Statue

Ausgleich bei besonderen (Pflege-)Leistungen (§ 2057a BGB)

Wenn Erblasser und Begünstigter zu Lebzeiten des Erblassers keine Pflegevereinbarung getroffen haben und der Erblasser auch in seinem Testament nicht ausdrücklich eine Belohnung für erbrachte Pflegeleistungen angeordnet hat, bleibt nur der Rückgriff auf gesetzliche Regelungen, dem § 2057a BGB. Demnach kann ein Abkömmling im Erbfall eine Ausgleichung unter den gesetzlich erbenden oder testamentarisch begünstigten Abkömmlingen verlangen, insofern er zu Lebzeiten des Erblassers für einen längeren Zeitraum durch Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft in besonderem Maße dazu beigetragen hat, dessen Vermögen zu bewahren oder zu mehren. Dies betrifft auch Nachkommen, die sich über einen längeren Zeitraum hinweg um die Pflege des Erblassers gekümmert haben. Dadurch sollen Anreize geschaffen werden, private Pflegeleistungen zu erbringen, um Pflegeeinrichtungen zu entlasten. Die Regelung gilt jedoch nur für tatsächlich erbrachte Leistungen, die konkret bewiesen werden können. Gleichzeitig können nach dem Gesetz nur Abkömmlinge — Kinder, Enkelkinder oder Urenkelkinder — finanziell entschädigt werden, nicht etwa überlebende Ehegatten.

Welche Ansprüche sich aus den Pflegeleistungen ergeben, ist ein häufiger Streitpunkt unter Abkömmlingen. Sie bemessen sich gemäß § 2057a Abs. 3 BGB nach Dauer und Umfang der erbrachten Leistungen sowie den Wert des Nachlasses. Es ist daher in jedem Einzelfall eine umfassende Bewertung der spezifischen Umstände erforderlich, in welcher Höhe eine Kompensation angemessen ist.

Ausgleich für Pflege als Anordnung im Testament

Eine bessere Rechtsposition im Konfliktfall hat der Erbringer von Pflegeleistungen, wenn der Erblasser in einem Testament (oder Erbvertrag) eine Anordnung getroffen hat, dass ein Ausgleich für erbrachte Pflegeleistungen erfolgen soll. Möchten Erblasser außerdem ihren Ehepartner, Lebenspartner, ihre Geschwister oder eine andere dritte Person für erbrachte Pflegeleistungen belohnen, ist die Anordnung im Testament unbedingt erforderlich, da diese Personen nicht nach § 2057a BGB berücksichtigt werden. Die Anerkennung kann in Form von finanziellen Zuwendungen oder einer Übertragung von Immobilien oder anderen Vermögenswerten geschehen. Die Höhe der Vergütung wird empfehlenswerter Weise bereits im Voraus festgelegt.

Mit Pflegevereinbarung auf der sicheren Seite

Wenn zwischen Erblasser und Begünstigten bereits zu Lebzeiten des Erblassers eine Pflegevereinbarung getroffen wird, ist zum einen vergleichsweise die beste Rechtsposition für Pflegepersonen in der Praxis sichergestellt und sind zum anderen die meisten Möglichkeiten geboten. Mit dieser Pflegeverpflichtung können Erblasser bereits zu Lebzeiten im Bedarfsfall ihre Pflege im Alter durch eine nahestehende Person — häufig Eltern durch ihr Kind — absichern.

In der Pflegeverpflichtung sollte neben dem Ausgleich für die pflegende Person zudem detailliert aufgeführt werden, unter welchen Umständen die Pflegeleistungen zu erbringen sind und wie mit veränderlichen Pflegesituationen umgegangen werden soll. Auch Umfang und Ort sind zu regeln, ebenso, inwiefern Anspruch auf Pflegegeld aus der Pflegeversicherung oder auf andere finanzielle Mittel besteht, um dem Pflegebedürftigen eine angemessene Pflege zu gewährleisten. Darüber hinaus ist zu klären, ob sich eine Partei wieder von der Pflegevereinbarung lösen kann: Was passiert, wenn der Erblasser ins Pflegeheim kommt oder die zur Pflege verpflichtete Person die Pflegeleistung aus persönlichen oder beruflichen Gründen nicht erbringen kann?

Eine juristische Beratung durch einen kompetenten Anwalt für Erbrecht ist beim Abschluss von Pflegeverpflichtungen unerlässlich, um unklare Formulierungen und rechtliche Fallstricke zu vermeiden, die später zu Konflikten zwischen den Erben und Pflegepersonen führen könnten.

Person unterschreibt rechtliches Schriftdokument

Auswirkungen von Pflegeleistungen auf den Pflichtteil

Ganz gleich, ob sie infolge einer Pflegeverpflichtung erfolgt ist oder nicht: Das Erbringen von Pflegeleistungen kann erhebliche Auswirkungen auf den Pflichtteil haben. Der Pflichtteil ist gesetzlich verankert und sichert nahen Angehörigen gemäß § 2303 BGB einen Mindestanteil am Erbe zu, selbst wenn sie im Testament nicht bedacht wurden. Für einen Erblasser kann der Pflichtteil zu einer Herausforderung werden, insbesondere wenn er gute Gründe hatte, einen Familienangehörigen von der Erbfolge auszuschließen. In manchen Fällen versuchen Erblasser daher, den Nachlass durch vorzeitige Vermögensübertragung zu verringern. Das Gesetz sieht jedoch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch vor, sodass nahe Angehörige trotz etwaiger Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers ihren gesetzlich vorgesehenen Pflichtteil erhalten.

Gemischte Schenkung: Schenkung mit Gegenleistung

Um mögliche Pflichtteilsergänzungsansprüche gemäß § 2325 BGB zu vermeiden oder zu reduzieren, lässt sich vereinbaren, dass die lebzeitige Weitergabe von Vermögen mit einer Gegenleistung des Empfängers verbunden ist — häufig in Form von Wohn- bzw. Nießbrauchrecht oder durch eine Pflegeverpflichtung, etwa im Übergabevertrag. Eine sogenannte gemischte Schenkung liegt jedoch nur dann vor, wenn der Wert der Gegenleistung geringer ist als der Vermögenswert. Allerdings bergen Pflegevereinbarungen als Gegenleistung Streitpotenzial, etwa in den Fragen:

Vergangene Urteile haben in den Fragen unterschiedlich entschieden — je nach gerichtlicher Einschätzung, ob es sich um eine klare, fair ausgehandelte Pflegevereinbarung oder um eine reine Strategie zur Umgehung des Pflichtteilsanspruchs handelt.

Euro-Banknoten

Urteil des Bundesgerichtshofs: Pflegevereinbarung mit Benachteiligungsabsicht?

Im vorliegenden Gerichtsurteil des BGH vom 28. September 2016 (IV ZR 513/15) steht eine vertraglich vereinbarte Pflegeverpflichtung und damit verbundene Aspekte im Fokus. Hierbei haben sich Eltern mit ihrem Testament vom 14. Juni 1995 wechselseitig zu Erben sowie ihre beiden Kinder zu gleichen Teilen als Erben des am längsten lebenden Elternteil eingesetzt. Die Mutter verstarb zuerst im Jahr 1995.
Der Vater und Erblasser übertrug sein Grundstück mit einem Einfamilienhaus an seine Tochter. Im Vertrag hielt er sich dabei lebenslangen Nießbrauch, also das Recht, im Haus wohnen zu bleiben, sowie ein unter aufgeführten Bedingungen mögliches Rücktrittsrecht offen. Darüber hinaus verpflichtete sich die Tochter, den Erblasser „bei Bedarf, in seiner Wohnung vollständig und unentgeltlich zu pflegen und zu betreuen bzw. ihn kostenlos pflegen und betreuen zu lassen“. Der Marktwert des Grundstücks wurde mit 140.000 DM benannt. Bis kurz vor seinem Tod im Jahr 2012 wohnte der Erblasser in dem Haus, ohne Bedarf an den Pflegeleistungen zu haben. Im selben Jahr verkaufte die Tochter das Grundstück für 120.000 €.

Klage wegen beeinträchtigender Schenkung

In der Folge kommt es zur Klage gegen die Tochter durch ihren Bruder. Dieser verlangt von ihr eine Zahlung in Höhe von 60.000 € wegen einer beeinträchtigenden Schenkung des Grundstücks, welche ihn benachteiligen sollte. Laut Argument der Beklagten handelte es sich jedoch nicht um eine Schenkung, da ein Nießbrauchrecht, ein Rücktrittsvorbehalt sowie die Pflegevereinbarung, wegen der der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Übertragung des bebauten Grundstücks gehabt habe, vorlagen.
Das Landgericht Berlin gibt dem Bruder am 10. November 2015 recht und verurteilt die Beklagte, 60.000 € sowie Zinsen zu zahlen. Die Begründung: Es bestehe kein nachvollziehbares Eigeninteresse des Erblassers an der Schenkung. Nach dem Tod könne die Beklagte außerdem über das Grundstück verfügen, ohne eine Gegenleistung erbracht zu haben. Da sich der Erblasser bester Gesundheit erfreut, sei die Pflegevereinbarung ohne messbaren wirtschaftlichen Wert. Dass er pflegebedürftig werden könnte, sei demnach eine eher abstrakte Gefahr gewesen.

Revision und Nachprüfung durch den BGH

Auf die Revision der beklagten Schwester hebt der Bundesgerichtshof das Urteil des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung auf. Der Kläger habe zwar einen Anspruch aufgrund einer möglichen beeinträchtigenden Schenkung nach § 2287 Abs. 1 BGB, die Begründung dafür sei jedoch mit Rechtsfehlern behaftet.

Im vorangegangenen Urteil bestehe keine Trennung zwischen einer vorliegenden (gemischten) Schenkung und der Absicht des Erblassers, den Vertragserben zu beeinträchtigen. Beide Sachverhalte seien jedoch unabhängig voneinander zu betrachten.

Weiterhin beruhe der Beschluss auf der Annahme, dass der Nießbrauch bei der Frage, ob eine Schenkung vorliegt, nicht berücksichtigt werden sollte. Tatsächlich mindert der vorbehaltene Nießbrauch den Wert eines schenkungsweise übertragenen Grundstücks und sollte daher bei der Berechnung des Werts berücksichtigt werden.

Ebenso fehlerhaft sei es, die im Überlassungsvertrag festgehaltene Pflegevereinbarung nicht einzubeziehen, weil der Erblasser nicht pflegebedürftig gewesen sei und bis kurz vor seinem Tod eigenständig und selbstbestimmt in seinem Haus leben konnte. Bereits die Übernahme der Pflegeverpflichtung hat laut dem Bundesgerichtshof einen „Geldwert“: Der maßgebliche Zeitpunkt für die Berechnung des Werts der vereinbarten Pflegeleistungen sei der Vertragsabschluss, nicht die spätere tatsächliche Entwicklung der Umstände. Der mögliche Pflegeaufwand, wie er von beiden Parteien während des Vertragsabschlusses prognostiziert wurde, sei ausschlaggebend.

Schließlich muss das Berufungsgericht bewerten, ob und inwieweit das dem Erblasser vorbehaltene Rücktrittsrecht als wertmindernd berücksichtigt werden sollte. Gleichzeitig führe das Rücktrittsrecht dazu, dass von der Schenkung nicht mit Vertragsschluss, sondern erst mit dem Tod des Erblassers auszugehen ist.

Sollte das Berufungsgericht zum Ergebnis kommen, dass eine Schenkung vorliegt, muss es weiter prüfen, inwiefern der Erblasser beabsichtigt hat, den Kläger zu beeinträchtigen. Ein Missbrauch liege nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hatte. Das lebzeitige Eigeninteresse des Erblassers könne weiterhin nicht ausgeschlossen werden, nur weil die Pflege bei Bedarf erfolgen soll. Wenn ein alleinstehender Erblasser durch eine Schenkung eine ihm nahestehende Person an sich bindet, um seine persönlichen Vorstellungen von Versorgung und Pflege im Alter zu realisieren, stelle das ein lebzeitiges Eigeninteresse dar.

Wenn auf dieser Grundlage ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte nach § 2287 Abs. 1 BGB in Betracht kommt, soll das Berufungsgericht beachten, dass es bei der Wertberechnung des Grundstücks nicht auf den Zeitpunkt des Erbfalls, sondern auf die Wertverhältnisse zur Zeit der Zuwendung unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwunds ankommt.

Kompetente erbrechtliche Beratung in Berlin

Möchten Sie ein Testament errichten, in dem ein Ausgleich für Pflegeleistungen verortet ist, oder eine Pflegeverpflichtung vereinbaren? Stehen Sie vor erbrechtlichen Konflikten bezüglich bereits getroffener Regelungen? Als erfahrener Anwalt für Erbrecht in Berlin stehe ich Ihnen mit umfassender juristischer Expertise zur Seite und biete Ihnen eine rechtssichere und individuelle Testamentsberatung. Nehmen Sie jetzt Kontakt zu meiner Kanzlei auf!

Zurück zur Übersicht

Jetzt Beratung anfordern