Schlusserbeneinsetzung im gemeinschaftlichen Testament

In einem gemeinschaftlichen Testament (Berliner Testament) ist es häufig der Fall, dass sich Eheleute wechselseitig als Alleinerben einsetzen und zusätzlich einen Schlusserben benennen. In der Regel werden die gemeinsamen Kinder in der Schlusserbeneinsetzung bedacht. Nach dem Tod des ersten Ehepartners erbt der überlebende Ehegatte zunächst das vollständige Vermögen des Erblassers. Das Vermögen der beiden Ehegatten vereinigt sich hierbei und der verbliebene Ehepartner kann uneingeschränkt darüber verfügen. Im Erbrecht wird daher auch von “Einheitsprinzip” gesprochen.

Die gemeinsamen Kinder sind zu diesem Zeitpunkt enterbt, also noch von der Erbfolge ausgeschlossen. Ihnen steht jedoch ein Pflichtteilsanspruch des Erbes zu. Auf sie als Schlusserben geht das verbliebene Gesamtvermögen beider Ehepartner als Einheit über, nachdem der zweite Ehegatte verstorben ist.

Bücherregal mit Gesetzbüchern

Ist die Schlusserbeneinsetzung im Berliner Testament bindend?

Kraft Gesetz (§ 2271 BGB) zeigt ein gemeinschaftliches Testament mit Schlusserbeneinsetzung für beide Ehegatten Bindungswirkung. Demnach kann eine gemeinsam zu Lebzeiten erfolgte, rechtskräftige Verfügung nicht einseitig durch einen Ehepartner geändert oder aufgehoben werden. Nach dem Tod des ersten Testamentspartners erlischt zudem das Recht für den Überlebenden, die wechselbezüglichen Verfügungen im Testament zu widerrufen oder neu zu testieren.

Zur Aufhebung der Verfügung ist der überlebende Ehepartner nur berechtigt, wenn er das ihm Zugewendete ausschlägt. Er kann überdies davon im Rahmen einer rechtlich zulässigen Pflichtteilsentziehung (§ 2336 BGB) zurücktreten oder auch dann, wenn sich der bedachte Schlusserbe einer Verfehlung schuldig gemacht hat (§ 2294 BGB). Ist dies nicht der Fall, ist der Schlusserbe grundsätzlich Erbe des gesamten Vermögens des zuletzt versterbenden Testamentspartners.

Abgrenzung eines Schlusserben vom Nacherben

Das bislang beschriebene Einheitsprinzip ist vom sogenannten Trennungsprinzip zu differenzieren. Hierbei setzen sich die Eheleute im gemeinschaftlichen Testament nicht wechselbezüglich als Alleinerben, sondern lediglich zu Vorerben ein. Die gemeinsamen Kinder werden wiederum nach dem Tod des Letztversterbenden zu Nacherben bestimmt.

Der entscheidende Unterschied zum klassischen Berliner Testament mit Einheitslösung und Schlusserbeneinsetzung ist die Separierung des Vermögens. Nach dem ersten Erbfall kann der als Vorerbe eingesetzte Ehegatte nicht — wie als Allein- oder Vollerbe — uneingeschränkt über das geerbte Vermögen verfügen. Gewissermaßen als “Erbe auf Zeit” hat er gesetzlichen Beschränkungen Folge zu leisten. So hat der Vorerbe die Erbschaft zu pflegen und in einem angemessenen Zustand zu erhalten. Demnach darf er beispielsweise Grundstücke oder Immobilien nicht ohne Zustimmung des Nacherben veräußern. Bei eintretenden Wertminderungen an Nachlassgegenständen (hiervon sind normale Gebrauchs- oder Abnutzungsspuren ausgeschlossen) kann der Nacherbe gegenüber dem Vorerben einen Ausgleichsanspruch erheben.
Zu einem bestimmten Ausmaß ist der Nacherbe vor beeinträchtigenden Verfügungen zu Lebzeiten des überlebenden Ehepartners geschützt (§ 2113 ff. BGB).

Bei unklaren Anordnungen im Ehegattentestament ist gemäß Auslegungsregel (§ 2269 BGB) stets von der Einheitslösung auszugehen.

Auslegung eines Ehegattentestaments mit Schlusserben: Beschluss des BGH vom 19.06.2019

Eingangsbereich Gerichtsgebäude

Im nachfolgend beschriebenen Fall hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage zu befassen, inwiefern eine Formulierung im vorliegenden Ehegattentestament als Schlusserbeneinsetzung auszulegen ist (Aktenzeichen IV ZB 30/18). Geprüft wurde hierbei ein zuvor ergangener Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 23. Oktober 2018, gegen den Rechtsbeschwerde durch beteiligte Parteien eingereicht wurde.

Ausgangslage des Sachverhalts

Die kinderlose Erblasserin verstarb am 5. Juli 2016. Ihr Ehemann war am 10. März 2015 vorverstorben. Im Jahre 2002 hatten die beiden Ehegatten handschriftlich ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Hierin hatten sie sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Zehn Jahre später, im Jahr 2012, fügten Ehemann und Ehefrau ihrer letztwilligen Verfügung schließlich den folgenden Text an:

“Für den Fall eines gleichzeitigen Ablebens ergänzen wir unser Testament wie folgt:

Das Erbteil soll gleichmäßig auf unsere Neffen bzw. Nichte [es folgt die namentliche Erwähnung] aufgeteilt werden.“

Auf den Antrag der Nichte hin stellte das Nachlassgericht einen Erbschein aus, in dem die im Testament genannten Neffen und Nichte zu je einem Viertel als Erben ausgewiesen wurden.

Einziehung des Erbscheins

Daraufhin regt die Cousine der Erblasserin die Einziehung des Erbscheins ein. Ihrer Ansicht nach sei die Ergänzung im Testament von 2012 keine Schlusserbeneinsetzung im Allgemeinen. Vielmehr gelte dieser Abschnitt ausschließlich bei gleichzeitigem Versterben des Ehepaars. Mit Beschluss vom 14. September 2017 zog das Amtsgericht den Erbschein ein. Mit einer dagegen eingereichten Rechtsbeschwerde durch Neffen und Nichte kam es zur erneuten Verhandlung und Entscheidung durch das Beschwerdegericht.

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Entscheidung des Beschwerdegerichts

Die Rechtsbeschwerde blieb erfolglos. In seiner Entscheidung führte das Beschwerdegericht aus, dass die beteiligten Nichte und drei Neffen nicht Erben geworden seien. Demnach betreffe die Erbeinsetzung nach der Testamentsergänzung lediglich den Fall eines zeitgleichen Ablebens. Inwiefern die Regelung bei Versterben mit zeitlichem Abstand gelte, sei auslegungsbedürftig. Laut obergerichtlicher Rechtsprechung sei die Formulierung “bei gleichzeitigem Ableben” oder “bei gleichzeitigem Versterben” so auszulegen, dass auch Fälle darunter zählen, in denen Ehegatten innerhalb eines kurzen Zeitraums nacheinander verstürben — vor allem wenn sich dem Ehepartner innerhalb der Zeitspanne keine Gelegenheit böte, ein neues Testament zu verfassen. Gleichzeitig treffe dies nicht auf den hier vorliegenden Fall zu, in dem das Ehepaar mit einem erheblichen Zeitabstand verstorben ist.

Von dieser beschriebenen Grundannahme der entsprechenden Formulierung kann nur abgewichen werden, wenn aus dem Testament hervorginge, dass die Erblasser sie entgegen dem eigentlichen Wortsinn aufgefasst hätten, also dass auch ein Versterben in einem erheblichen Abstand inkludiert sei. Hier fehle jedoch eine entsprechende Andeutung. Selbst wenn dies der Wunsch der Testierenden gewesen wäre, ist dieser weiterhin nicht formgerecht dargestellt. Die namentlichen Nennungen der drei Neffen und der Nichte gäben zwar Auskunft über das Näheverhältnis zwischen ihnen und den Ehegatten gebe, trotzdem sei dies kein Hinweis auf eine Schlusserbeneinsetzung.

Rechtliche Überprüfung durch den Bundesgerichtshof

Im Rahmen einer rechtlichen Überprüfung durch den BGH stimmte der Senat der Auslegung durch das Beschwerdegericht zu: Die Formulierung “gleichzeitigen Ablebens” beträfe lediglich Fälle, in denen Eheleute zeitgleich oder kurz nacheinander versterben. Weiterhin sei bei der Testamentsauslegung der wirkliche Wille der Testierenden zu erforschen und nicht lediglich die buchstäbliche Bedeutung des Ausdrucks zu berücksichtigen. Über die Analyse des Wortlauts hinaus müsse der Richter auch alle im Rahmen der mündlichen Verhandlung zugänglichen Umstände außerhalb des Testaments Beachtung schenken.

Der Erblasserwille könne jedoch nur anders interpretiert werden, insofern der Wortlaut entsprechend der Formerfordernisse eines Testaments gerecht würde. Schließlich, so der BGH, sollten die Formvorschriften den wirklichen Willen der Testierenden geltend machen und gleichzeitig zum verantwortlichen Testieren beitragen. Eine Erbeinsetzung, die weder ausdrücklich enthalten noch angedeutet ist, könne nicht den Formvorschriften gerecht werden und sei damit nichtig. Im vorliegenden Fall kam der Senat des Bundesgerichtshofs zu dem Schluss, dass Testamentsurkunde und Umstände nicht ausreichend als Anhaltspunkt dienen, um hier Rückschlüsse auf eine Schlusserbeneinsetzung ziehen zu können. Demzufolge sei bei der Auslegung des Beschwerdegerichts nicht zu beanstanden. Die Rechtsbeschwerde von Neffen und Nichte wurden somit am 19.06.2019 zurückgewiesen.

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Rechtsanwalt Jürgen PilligWie das vorliegende und zahlreiche weitere Urteile zum Erbrecht verdeutlichen: In Verfahren sind Erben oder andere Personen, die mit den Erblassern in Verbindung stehen, häufig auf die jeweilige Interpretation des Testaments durch das Gericht angewiesen. Testierende können das Risiko einer inkorrekten Testamentsauslegung maßgeblich im Voraus minimieren, indem sie auf die Expertise eines juristischen Beistands setzen. Dieser kennt die Fallen auslegungswürdiger Wortlaute genau und kann mit klaren Formulierungen zur Schlusserbeneinsetzung helfen. Jürgen Pillig ist Ihr kompetenter Anwalt für Erbrecht in Berlin, wenn Sie ein wirksames Berliner Testament aufsetzen oder auch ein Einzeltestament erstellen möchten, das vor Anfechtung geschützt ist. Auch insofern Sie Unterstützung in anderen erbrechtlichen Fragen benötigen, wie etwa im Prozess einer Testamentseröffnung durch einen Anwalt, stehe ich Ihnen beratend zur Seite. Nehmen Sie einfach telefonisch oder schriftlich Kontakt zu meiner Kanzlei auf!

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