Ist die Kopie eines Testaments ausreichend?

Bei einer Testamentseröffnung durch ein Nachlassgericht ist grundsätzlich das Original der letztwilligen Verfügung zu eröffnen. Dies hat im Beisein der gesetzlichen Erben und der sonstigen Beteiligten zu erfolgen. Jedoch kann es natürlich vorkommen, dass die Urschrift nicht auffindbar ist, sondern lediglich eine Kopie davon. Gemäß einem Urteil des OLG München vom 07.04.2021 mit dem Aktenzeichen 31 Wx 108/21 ist die Kopie eines Testaments ausreichend für die rechtswirksame Eröffnung, da die Erbfolge auch anhand dieser Kopie festgestellt werden kann.

Holzhammer und Gesetzesbücher vor weißem Hintergrund

OLG München 2021: Beschwerde gegen vollständige Testamentseröffnung

Der vorliegende Fall aus dem Jahr 2021 beschäftigt sich mit der Beschwerde einer Beteiligten gegen die Ankündigung einer vollständigen Testamentseröffnung durch das Amtsgericht Augsburg. Das Nachlassgericht hatte angekündigt, die gesamte letztwillige Verfügung inklusive mehrerer Nachträge in Anwesenheit nicht nur der länger lebenden Ehegattin des Erblassers, sondern auch dessen Kindern, zu eröffnen. Bei dem Testament handelte es sich um eine gemeinsame, letztwillige Verfügung der beiden Ehepartner vom 23.03.2011 sowie Nachträge zu dieser vom 24.03.2011 und 23.11.2016. Die Ehefrau des Erblassers hatte gegen die genannte Ankündigung Beschwerde eingelegt, mit der Begründung, dass die gemeinsamen Kinder aus der Ehe erst im zweiten Erbfall betroffen seien. Das Interesse der Eheleute an der Geheimhaltung der getroffenen Vereinbarungen habe daher Vorrang. Das OLG München hat die Beschwerde zurückgewiesen.

Schlusserben gelten auch im ersten Erbfall als Beteiligte

Von entscheidender Bedeutung war im vorliegenden Fall die Frage, inwiefern die gemeinsamen Kinder des Erblassers und seiner Ehefrau “Beteiligte” im Sinne des Erbrechts sind. Gemäß § 348 FamFG hat das Nachlassgericht den Beteiligten diejenigen Inhalte einer Verfügung von Todes wegen bekannt zu geben, die sie direkt betreffen. Als Beteiligte zu betrachten sind generell Personen, deren Rechtslage durch die jeweilige Verfügung beeinflusst wird.

Die gemeinsamen Kinder aus der Ehe des Erblassers mit der Beschwerdeführerin waren als Schlusserben im gemeinsamen Testament der Eheleute eingesetzt. Ohnehin sind sie jedoch als gesetzliche Erben zu betrachten, denen auch im ersten Erbfall laut Erbrecht bereits ein Pflichtteil zusteht. Ob auf diesen Pflichtteil verzichtet wurde oder nicht, sei für die Entscheidung unerheblich, heißt es in der Urteilsbegründung des OLG. Aus der gemeinsamen, letztwilligen Verfügung der Eheleute und deren Nachträgen ergebe sich zunächst eine Enterbung der Kinder (für den ersten Erbfall). Es handele sich also um einen eindeutigen Eingriff in ihre Rechtslage.

Das Amtsgericht Augsburg hatte in erster Instanz bereits festgestellt, dass die Kinder des Erblassers somit als Beteiligte im Sinne des Gesetzes betrachtet werden müssen. Dieser Beschluss wurde vom Oberlandesgericht München durch Zurückweisung der entsprechenden Beschwerde de facto bestätigt. Darüber hinaus weist das OLG in der Urteilsbegründung darauf hin, dass grundsätzlich das gesamte Schriftstück, inklusive möglicherweise gegenstandsloser Passagen, eröffnet werden müsse. Lediglich für den Fall klar voneinander trennbarer Verfügungen der einzelnen Personen in einem gemeinsamen Testament gäbe es hiervon eine Ausnahme gemäß § 349 FamFG. Die Trennbarkeit müsse auch durch entsprechende Formulierungen klar erkennbar sein. Dies sei hier nicht der Fall. Im Gegenteil handele es sich um lediglich von einem Partner verfasste und anschließend von beiden unterzeichnete Regelungen. Ein mögliches Interesse der Eheleute an der Geheimhaltung einzelner Passagen sei fürderhin nicht ausschlaggebend.

Ist das Original-Testament nicht auffindbar, genügt eine Kopie

In der Urteilsbegründung des OLG München wird explizit darauf hingewiesen, dass es für den vorliegenden Fall unerheblich sei, dass einer der beiden genannten Nachträge zum Testament nur als Kopie vorliegt. Grundsätzlich sei zwar das Original zu eröffnen — aber aus dem “Grundsatz, dass die Erbfolge aber auch aus nicht vorhandenen Originalurkunden, sondern aus nur noch als Kopie vorhandenen Testamenten festgestellt werden kann” (OLG München, 07.04.2021, Aktenzeichen 31 Wx 108/21), ergebe sich die Konsequenz, dass in diesem Fall die Kopie eröffnet werden müsse.

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