Das Geliebtentestament – Sittenwidrigkeit oder Testierfreiheit?

Wenn ein verheirateter Erblasser seine Geliebte im Testament bedenkt, löst das oft nicht nur familiäre Konflikte, sondern auch juristische Streitigkeiten aus. Das Stichwort lautet hier: „Geliebtentestament“ – oder, historisch etwas altertümlicher, „Mätressentestament“.

Früher galten solche Testaments-Verfügungen in der Regel direkt als sittenwidrig und damit ungültig. Die Gerichte sahen in der Zuwendung an eine Geliebte eine moralisch verwerfliche „Belohnung“ für außereheliche Beziehungen. Doch mit der Zeit änderte sich nicht nur die gesellschaftliche Moral, sondern auch die rechtliche Bewertung solcher Fälle.
Heute wird ein Testament, das die Geliebte berücksichtigt, in der Regel als Ausdruck der Testierfreiheit gewertet – also des Rechts, den eigenen Nachlass nach persönlichem Willen zu gestalten.

Ein Urteil aus dem Jahr 2008 zeigt exemplarisch, wie sich diese Sichtweise in der Praxis durchgesetzt hat – und welche Abgrenzungen die Gerichte ziehen, wenn familiäre Moralvorstellungen und juristische Freiheit aufeinandertreffen.

Geschichte des „Mätressentestaments“: Balanceakt zwischen Testierfreiheit oder Sittenwidrigkeit

Das deutsche Erbrecht wird von einem zentralen Grundsatz geprägt: der Testierfreiheit. Nach § 1937 BGB kann jeder Erblasser durch Verfügung von Todes wegen frei bestimmen, wem er sein Vermögen nach dem Tod zuwendet. Diese Freiheit wird zudem durch Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz (GG) geschützt, der das Eigentum und das Erbrecht garantiert.
Damit ist es zunächst vollkommen zulässig, die eigene Geliebte oder Lebensgefährtin im Testament zu bedenken. Der letzte Wille soll den tatsächlichen Wünschen des Erblassers entsprechen – nicht gesellschaftlichen Moralvorstellungen.

Früher jedoch sah die Rechtsprechung das anders: Unter dem Schlagwort der „Sittenwidrigkeit“ nach § 138 Absatz 1 BGB erklärten Gerichte in den 50er und 60er Jahren Testamente zugunsten einer Geliebten häufig als ungültig. Der Gedanke war, dass eine solche Verfügung eine „Belohnung für Unmoral“ darstelle.

Mit dem Wandel gesellschaftlicher Werte änderte sich auch die rechtliche Bewertung. Heute findet der Begriff der Sittenwidrigkeit in Bezug auf sog. „Geliebtentestamente“ i. d. R. keine Anwendung mehr. Das Recht erkennt inzwischen an, dass auch außerhalb der Ehe echte emotionale Bindungen und Verantwortung bestehen können.

Diese Entwicklung spiegelt sich deutlich im nachfolgend aufgeführten Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf wider.

Das Urteil: Eine außereheliche Lebensgefährtin als Alleinerbin

Im zugrunde liegenden Fall (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. August 2008) setzte ein verheirateter Mann seine außereheliche Lebensgefährtin in einem notariellen Testament als Alleinerbin ein.
Nicht berücksichtigt wurden seine Ehefrau und die gemeinsame Tochter, beide begehrten die Anfechtung des Testaments mit der Begründung der Sittenwidrigkeit.

Der Sachverhalt

Der Erblasser war zwar verheiratet, lebte jedoch seit vielen Jahren in einer festen Beziehung mit einer anderen Person, die er in seinem Testament ausdrücklich als „Lebensgefährtin“ bezeichnete und zur Alleinerbin einsetzte. Ehefrau und Tochter beantragen die Ausstellung eines Erbscheins zu ihren Gunsten, sie hielten das Testament für sittenwidrig und damit unwirksam.
Zur Begründung führten sie an, die Zuwendung an die Lebensgefährtin sei eine Belohnung für eine rein sexuelle Beziehung. Die Witwe empfand es als nicht zumutbar, künftig mit der Geliebten des Verstorbenen gemeinsam über die Verwaltung der geerbten Immobilien zu entscheiden. Zudem habe der Erblasser verfügt, dass die „Geliebte“ die Möglichkeit habe, die Häuser (teilungs-)versteigern zu lassen, was den Wohnraumverlust der Witwe nach sich ziehe. Dies und die „wirtschaftliche Notsituation“, derer sie sich dann gegenübersehe, führen in den Augen der Witwe ebenfalls zur Sittenwidrigkeit dieses „Geliebtentestaments“.

Die eingesetzte Erbin widersprach dieser Darstellung entschieden. Die Beziehung zum Erblasser habe bereits seit 1987 bestanden und sei über fast zwei Jahrzehnte gewachsen. Der Erblasser habe seit Jahren mit ihr zusammengelebt, insbesondere nach einer schweren Erkrankung im Jahr 2002. Es habe sich um eine stabile nichteheliche Lebensgemeinschaft gehandelt, nicht um eine flüchtige Affäre oder gar ein Verhältnis gegen Entgelt.

Justizpalast München

Das Urteil im Detail: Keine Sittenwidrigkeit festgestellt

Der Fall ging durch mehrere Instanzen. Zunächst hatte das Amtsgericht Zeugen befragt und kam zu dem Ergebnis, dass der Erblasser über viele Jahre hinweg in einer festen Lebensgemeinschaft mit der Begünstigten gelebt hatte. Hinweise darauf, dass das Testament als Belohnung für sexuelle Dienste gedacht war, ergaben sich nicht. Das Gericht hielt das Testament daher für wirksam. Gegen diese Entscheidung legten die Ehefrau und die Tochter Beschwerde ein – ohne Erfolg. Auch das Landgericht Mönchengladbach sah keinen Anhaltspunkt für eine Sittenwidrigkeit und bestätigte den Beschluss des Amtsgerichts. Die sofort eingelegte weitere Beschwerde wies das OLG Düsseldorf in letzter Instanz zurück: Eine Sittenwidrigkeit des Testaments wurde nicht gesehen.

Entscheidend war, dass der Erblasser über viele Jahre hinweg in einer stabilen, partnerschaftlichen und häuslichen Beziehung zu der außerehelichen Lebensgefährtin lebte. Die Zuwendung diente daher erkennbar nicht der Belohnung sexueller Hingabe, sondern beruhte auf einer gewachsenen persönlichen Bindung und gegenseitiger Fürsorge. Auch der zeitliche Zusammenhang zwischen seiner schweren Erkrankung und der Testamentserrichtung sprach aus Sicht des Gerichts eher für Verantwortungsbewusstsein und Vertrauen als für ein sittenwidriges Motiv.
Eine unzulässige Zurücksetzung der Familie erkannten die Richter ebenfalls nicht: Die Testierfreiheit des Erblassers sei durch Art. 14 GG geschützt, und moralische Enttäuschung oder familiäre Spannungen könnten daran nichts ändern. Zudem war die Ehefrau wirtschaftlich abgesichert und besaß bereits hälftiges Miteigentum an den Immobilien, sodass keine existenzielle Not drohte. Selbst die Möglichkeit einer Teilungsversteigerung sei kein hinreichendes Indiz für Sittenwidrigkeit.

Pflichtteil beim Geliebtentestament

Wichtig zu wissen ist: Auch wenn der Erblasser seine Geliebte oder Lebensgefährtin im Testament als Alleinerbin einsetzt, gehen die nächsten Angehörigen nicht leer aus. Nach § 2303 BGB steht Ehegatten, Kindern und – falls keine Kinder vorhanden sind – Eltern des Erblassers der sogenannte Pflichtteil zu. Dabei handelt es sich um einen gesetzlich garantierten Mindestanteil am Nachlass, der auch gegen den ausdrücklichen Willen des Erblassers eingefordert werden kann.
So wird sichergestellt, dass Angehörige trotz eines Geliebtentestaments zumindest finanziell berücksichtigt bleiben. Dieses gesetzliche Pflichtteilsrecht schützt die Familie und stellt eine ausgewogene Erbfolge sicher.

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Familienkonstellationen, in denen man verheiratet bleibt, dem Ehepartner vielleicht sogar weiterhin freundschaftlich verbunden ist und zugleich in einer neuen, außerehelichen Partnerschaft lebt, sind heute keine Seltenheit. Genau dann lohnt sich eine vorausschauende Nachlassplanung: Nutzen Sie Ihre Testierfreiheit bewusst, berücksichtigen Sie Pflichtteilsrechte und regeln Sie, wer was erhält – klar, fair und rechtssicher. So schützen Sie die Menschen, die Ihnen wichtig sind, und verhindern, dass aus unterschiedlichen Erwartungen später kostspielige Konflikte werden.

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