Testament in Briefform unter strengen Anforderungen möglich

In einem handschriftlich verfassten Brief kann eine letztwillige Verfügung enthalten sein. Dabei ist es unerlässlich, ob die Bezeichnung des letzten Willen vorhanden ist oder nicht. Jedoch muss nachvollzogen werden können, dass es sich nicht um eine unverbindliche Mitteilung handelt, sondern eine Testierabsicht im Schriftstück vorliegt.
Ein häufiges Problem beim Brieftestament besteht darin, dass der Erblasser nicht bewusst ein Testament in Briefform verfassen wollte und im Nachhinein daher der sogenannte Testamentserrichtungswille zu überprüfen ist. Der Brief ist danach auszulegen, ob der Verfasser des Briefes bei Abfassung des Briefes bereits endgültig den Entschluss gefasst hatte zu testieren, d.h. ein Testament abzufassen, oder ob es sich lediglich um die Ankündigung handelt, demnächst ein Testament entsprechenden Inhalts abfassen zu wollen.

Wie bei jeder anderen Testamentsform muss auch bei einem Testament in Form eines Briefes die Testierfähigkeit bei der Verfassung durch den Erblasser gegeben sein. Sind diese Voraussetzungen gleichermaßen wie die Formvorschriften erfüllt, kann ein Brief als letzter Wille in Betracht gezogen werden.

Richterhammer aus dunklem Holz liegt seitlich auf rundem Block

Beschluss durch das Schleswig-Holsteinische OLG zum Brieftestament

Da privatschriftliche Brieftestamente häufig nicht dem Formerfordernis eines handschriftlichen Testaments entsprechen und der Testamentserrichtungswille nachträglich zu prüfen ist, muss in vielen Fällen vor Gericht entschieden werden, inwiefern die letztwillige Verfügung und die darin enthaltene Erbeinsetzung wirksam ist.
Wie im Folgenden dargestellt, erließ so das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht am 29.05.2009 (Aktenzeichen 3 Wx 58/04) ein Urteil über die Wirksamkeit eines Testaments in Briefform.

Vorgeschichte zum Urteil: Verfassung des Briefes

Die 1913 geborene Erblasserin war eines von 13 Geschwistern, von denen später mehrere am Fall beteiligt waren. Sie wuchs bei ihren Großeltern mütterlicherseits auf. Nach dem 2. Weltkrieg wanderte die Erblasserin mit einigen ihrer Geschwister nach Kanada aus. Um sich jedoch um ihre Mutter zu kümmern, kehrte sie in den 60er Jahren wieder nach Deutschland zurück. Im Jahre 1994 verstarb ihre Tante H., die jüngste Schwester ihrer Mutter. Kurz nach der Beerdigung schrieb die Erblasserin einen Brief an ihren Bruder. Ein Auszug:

“[…] Ich denke an T. H…s Tod wenn mein Lebenslauf besiegelt ist, erbst du mein Geld, mein Glück brachte mir Wohlstand in Canada.
Wir wurden aus eigener Kraft was wir konnten. Wenn das Wetter besser wird können wir uns persönlich unterhalten eventuell mal treffen.
Bleib gesund bis aufwiedersehen
Liebe Grüße von S.
A. B.“

Der Erbfall tritt ein

Im Jahr 2003 verstarb die Erblasserin im Hospital, woraufhin sich der im Brief adressierte Bruder um ihre Beerdigung kümmerte. Außerdem stellte er Antrag auf einen Erbschein, der ihn als Alleinerben bekunden sollte. Zur Begründung legte er eine Kopie des Briefes bei, der als Brieftestament zu erachten sei. Dessen Inhalt decke sich zudem mit mündlichen Aussagen durch die Erblasserin. Der Nachlass der Erblasserin bestand zum wesentlichen Teil aus einem Bankguthaben von knapp 60.000 Euro.

Laut Angaben sei der Bruder der Einzige der Geschwister, mit dem die Erblasserin noch in Kontakt gestanden haben soll. Die sonstigen Familienverhältnisse seien schwierig gewesen.
Das Nachlassgericht weist den Erbscheinsantrag des beteiligten Bruders zurück, da sich aus dem Brief keine letztwillige Verfügung herauslesen lasse.

Beschluss des Landgerichts: Begründungen für die Anerkennung des Briefes als letzten Willen

In Folge einer Beschwerde, die der Bruder gegen den Beschluss des Nachlassgerichts einreicht, geht das Verfahren vor das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht. Nach Ermittlungen und Aussagen von Beteiligten hebt das Landgericht den Beschluss des Nachlassgerichts unter Berücksichtigung der Gesamtumstände auf. Grundlage für dieses Urteil sind die folgenden Begründungen:

Das OLG beurteilt damit die Gültigkeit des Testaments in Briefform und ordnet an, dem Bruder einen Erbschein zu erteilen, mit dem er aufgrund testamentarischer Erbfolge zum Alleinerben wird. Ein Einspruch gegen diesen Beschluss durch eine Schwester der Erblasserin, die während des Verfahrens verstarb, blieb letztlich ohne Erfolg. Einen Rechtsnachfolger der verstorbenen Schwester zu ermitteln, gelang dem Gericht nicht. Damit konnte das Urteil des Landgerichts und die Auslegung, es handele sich in diesem Fall um ein Brieftestament, nicht wirksam angefochten werden.

Ihr Rechtsanwalt für einen Brief als wirksames Testament

Sollten Sie als Erbe im Besitz eines Briefes des Erblassers sein, der Ihnen darin eine Erbschaft nach seinem Tod zusagt, und sich nicht sicher sein, ob es sich hierbei um ein rechtskräftiges Testament in Briefform handelt, ist ein fachlich versierter Rechtsbeistand gefragt. Statt ein solches Brieftestament (oder andere zweifelhafte Testamente) „kommentarlos“ bei dem Nachlassgericht abzuliefern, lassen Sie es am besten durch einen Rechtsanwalt für Erbrecht bei Gericht zusammen mit einem Begleitschreiben, einem Erbscheinsantrag und einem entsprechenden Testamentseröffnungsantrag einreichen. So können von vornherein mögliche Zweifel des Nachlassgerichts an der Wirksamkeit des Testaments entkräftet werden. Wenden Sie sich an mich, Jürgen Pillig, Ihrem Anwalt für Erbrecht in Berlin, um auf Grundlage eines Brieftestaments Ihren Erbanspruch geltend zu machen!

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